Der wankelmütige Strongman im Weißen Haus

Am Anfang sah es so aus, als wäre die israelisch-iranische Herausforderung Amerikas der erste Stresstest für die MAGA-Bewegung. Dann offenbarte Trumps anfängliches Zögern vor einer weiteren militärischen Intervention im Nahen Osten die Schwäche der Demokratischen Partei, die bei dieser Entscheidung über Krieg und Frieden nicht die Mitsprache des US-Kongress einforderte. Schließlich warnten konservative Kritiker wie Robert Kagan vor den gefährlichen Folgen eines solchen Kriegseintritts: „Er wird autokratische Tendenzen im eigenen Land und antiliberale Kräfte weltweit stärken.“ Doch bisher ist der „Zwölf-Tage-Krieg“ nur ein weiteres Kapitel in der zweiten Amtszeit des wankelmütigen strongman im Weißen Haus, der vor allem seine narzisstischen Impulse befriedigt. 

Tagelang hatten US-amerikanische und deutsche Medien den Online-Schlagabtausch zwischen den selbsternannten Anführern der MAGA-Basis verfolgt, zwischen dem Chefideologen Steve Bannon, dem ehemaligen Fox-Moderator Tucker Carlson, dem Talkshow-Influencer Charlie Kirk und der Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Green auf der einen, und traditionellen Republikanern wie den Senatoren Ted Cruz und Lindsey Graham auf der anderen Seite. Unter der Schlagzeile „Wie der Iran-Krieg die MAGA-Bewegung spaltet“ berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ über den feindselig klingenden Schlagabtausch in der Blogosphäre und fragte, wie gefährlich dieser für Donald Trump sein könnte. 

Nicht sehr gefährlich, wie sich herausstellte. Die Gefahr liegt eher in einem falschen Verständnis von Politik im Zeitalter Donald Trumps. Denn die aktuelle republikanische Koalition aus lautstarken Influencern und gefügigen Abgeordneten ist ein völlig anderes politisches Konstrukt als die demokratische Koalition aus einer traditionellen politischen Partei mit verschiedenen Fraktionen und einer frustrierten, hilflosen Zivilgesellschaft. Die Mitglieder der republikanischen Koalition sind allesamt Speichellecker in einem halbautokratischen System, während sich die Opposition in ihrem politischen Abseits derzeit auf nichts einigen kann. Die erste Gruppe liefert eine abscheuliche, aber unterhaltsame Polit-Show, die zweite führt immer wieder die ersten Akte einer bekannten Tragödie auf, ohne jemals bis zur Katharsis zu gelangen. 

Der Nahe Osten war der ursprüngliche Ausgangspunkt der MAGA-Bewegung. Es war Donald Trump, der bereits in seinem ersten Wahlkampf erkannte, wie unpopulär die Außenpolitik der Demokratischen Partei nach dem Desaster der „ewigen Kriege“ im Irak und in Afghanistan war. Er spürte, wie erschöpft die amerikanische Öffentlichkeit nach diesen gescheiterten Interventionen war, die nach Ansicht der meisten Menschen zu Lasten ihres wirtschaftlichen Wohlergehens im eigenen Land gingen. „All das Geld, das man für mich hätte ausgeben können, wurde verschwendet“, ist ein Satz, den man noch heute hört. Steve Bannons Behauptung, 80 % der MAGA-Anhänger wären gegen ein US-Engagement an der Seite Israels, dürfte übertrieben sein. Aber alle Umfragen bestätigen, dass sowohl Demokraten als auch Republikaner einen Kriegseintritt mit deutlicher Mehrheit ablehnen. 

„Dies könnte eine verpasste Chance für die Demokraten sein, zur Antikriegspartei zu werden“, schrieb der britische „New Statesman“, „eine Position, die Trump seit seinem Wahlsieg 2016 unangefochten einnimmt.“ Tatsächlich gibt es eine Übereinstimmung der Ansichten zum aktuellen Konflikt zwischen Israel und dem Iran zwischen MAGA-Anhängern und einigen Vertretern der demokratischen Linken wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. Doch die derzeitige Führung der Demokratischen Partei wiederholt immer wieder die Fehler Hillary Clintons und ihrer Parteigänger, als sie Anfang 2003 nicht den politischen Mut aufbrachten, sich gegen Präsident Bushs Invasion in Irak auszusprechen. 

Es gibt zwar den War Powers Act von 1973, der die Position des Kongresses stärkte, nachdem Präsident Richard Nixon während des Vietnamkriegs zu viel außenpolitische Macht an sich gerissen hatte. Doch als es jetzt erneut darum ging, einem Kriegseintritt zu widersprechen, war von den Führern der  Demokratischen Partei im Kongress nicht viel zu sehen. Und dies nach einer Woche, in der die US-Demokraten eigentlich in Hochstimmung sein sollten, nachdem sie Millionen Demonstranten gegen die Razzien und die Einwanderungspolitik der Trump-Administration auf die Straße gebracht hatten. Der ehemals neokonservative, jetzt reumütige Kolumnist Peter Beinart bezeichnet dies in der „New York Times“ als „schweren außenpolitischen Fehler“ der demokratischen Kongressführung. 

Doch warum kann die Drohung mit einem weiteren unpopulären Kriegseintritt die Demokratische Partei verzagen lassen, während sie der Trump-Regierung keinen Schaden zufügt? Weil die MAGA-Bewegung ihren Groll und ihre Galle schnell der neuen Situation anpassen kann, und weil den Republikanern im Kongress nichts anderes übrig bleibt, als dem oszillierenden Trumpismus zu verfallen. Denn für Donald Trump ist es kein großer Aufwand, die isolationistische Melodie von gestern in eine Hymne auf den Krieg umzuwandeln. Dies ist nichts anderes als außenpolitisches TACO, der Kurzform für „Trump always chickens out“ (Trump verdrückt sich immer). Mit diesem Ausdruck bezeichnete die “Financial Times” seine Wendungen in der Zollpolitik und die Art und Weise, mit der sich der Präsident häufig vor dem Einlösen seinen Versprechen drückt. In diesem Fall machte Trump einen Rückzieher von seinem martialisch geäußerten Wahlkampfversprechen: „Keine Kriege mehr!“ 

Trumps „neuer Neokonservatismus ist eine Weiterentwicklung“, wie Bruno Macaes im „New Statesman“ ausführt. „Er hat den blassen Schimmer von Idealismus verloren, den er einst hatte und sich in eine durch und durch nihilistische Ideologie verwandelt, die offen rohe Gewalt befürwortet.“ Damit wird Trump bei seinen Anhängern durchkommen, die grausame Spektakel aller Art mögen, solange sie anderen schaden. Und in einer politisch erschöpften Öffentlichkeit lässt sich mit dem Beginn des Krieges dann auch das traditionelle Schema von „Gut gegen Böse“- leicht wiederbeleben. 

Es ist ironisch, dass es diesmal einem anderen Neokonservativen und Befürworter des Regimewechsels in Irak wie Robert Kagan zufiel, seine Landsleute vor den Gefahren eines Krieges gegen den Iran zu warnen. Da die Vereinigten Staaten „auf dem besten Weg in die Diktatur im eigenen Land sind“, argumentierte er im Magazin „The Atlantic“, „kann ich mir derzeit nichts Gefährlicheres für die amerikanische Demokratie vorstellen, als in den Krieg zu ziehen.“ 

Kagan beschreibt mögliche Ausreden, die Trump vorbringen könnte, um die diktatorische Kontrolle im eigenen Land zu stärken; wie drakonisch er in Kriegszeiten oder nach möglichen Terroranschlägen mit Andersdenkenden umgehen könnte. „Jeder Erfolg, den Trump im Iran für sich beansprucht, wird, ungeachtet seiner sonstigen Folgen, ein Sieg für die antiliberale Allianz sein und die Interessen des Antiliberalismus auf der ganzen Welt fördern.“ 

Das könnte so sein. Doch derzeit verfolgt Donald Trump eine „schwindelerregende Iran-Politik“, wie die „Financial Times“ anmerkt. Seinem Truth-Social-Account zufolge geht es heute um einen Regimewechsel und morgen um Diplomatie – ein getweetetes Skript, das zwischen militärischen Drohungen gegen den Iran und diplomatischen Abkommen mit seinem Regime, zwischen Grausamkeit und Großzügigkeit wechselt. Dies ist nicht etwa das Ergebnis einer gespaltenen Persönlichkeit, sondern das systematische Hin und Her eines Machthabers, der  jedes Ergebnis als Erfolg für sich reklamieren möchte, sei es der „Zwölf-Tage-Krieg“ oder ein kurzlebiger Frieden. Die Befriedigung seines unersättlichen Narzissmus ist Donald Trumps ultimatives außenpolitische Ziel. 

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