Die Sache mit den Zöllen

Ich kenne Alan Tonelson schon lange als freundlichen, zuvorkommenden und sehr hilfsbereiten Menschen, der sich bestens mit Handelszahlen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen Ländern auskennt. Zölle waren schon immer sein Ding, selbst Anfang der 1990er Jahre, als sie das Gegenmittel zu Bill Clintons umstrittenem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) darstellten – und als sich niemand in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können, dass ein zwielichtiger Immobilienhai in New York und Moderator einer Reality-TV-Show Präsident der Vereinigten Staaten werden würde. 

Heute Anfang 70, und stolzer Autor des Blogs RealityChek, hat Alan Tonelson miterlebt, welchen Weg das politische Plädoyer für eine energische Zollpolitik seither genommen hat: vom linken Flügel der Demokratischen Partei über den rechten Flügel der Republikaner jetzt bis hin zum Weißen Haus. Alan ist seinen protektionistischen Überzeugungen treu geblieben und folgt jetzt Donald Trump, wenn auch nicht bis auf die letzten Meter. Kurzum, im Gegensatz zu vielen anderen in der US-Politik und -Wirtschaft war Alan in seinen Argumenten zum Thema Handel immer konsequent. 

Alan Tonelson ist von Hause aus Historiker und entwickelte seinen Wirtschaftsnationalismus in seiner Arbeit für Ronald Reagan’s ehemaligen Handelsbeauftragten Clyde Prestowiz, der in seinem einflussreichen Buch „Trading Places“ (1990) die amerikanischen Ängste vor einem Handelsdebakel mit Japan zum Ausdruck brachte. Damals vertrat Alan auch die „Paul Kennedy-Theorie des “Oberstretch”, der Überdehnung amerikanischer Macht und befürchtete, “dass sich die Verschlechterung der inländischen Wirtschaftslage negativ auf die US-Außenpolitik auswirken würde.” 

In seinem Buch „Race to the Bottom“ (2002) formulierte Alan später seine eigene Theorie darüber, wie unkontrollierter Freihandel amerikanische Arbeitsplätze kostet und den Lebensstandard der Arbeiter senkt. Damals, sagt er heute auch selbstkritisch, „sah niemand die Bedrohung durch China kommen“. So wurde Alan zum China hawk, wie viele in beiden Parteien. 

Aber was unterscheidet ihn und Donald Trump von der Biden-Administration, die ebenfalls Sanktionen und Exportkontrollen gegen die China verhängt hatte? Warum, so erwidert er, liefert NVIDIA immer noch seine zweitbesten Computerchips nach China, warum investiert ein Unternehmen wie INTEL immer noch Risikokapital in China? Für ihn hat die Biden-Administration einfach nicht genug getan. Und das liege daran, dass zwei Kategorien von akademischen China-Experten falsch lagen. Die einen, weil sie die Theorie des Freihandels, die sie in der Schule gelernt hatten, nie hinterfragten. „Die anderen, weil sie für das bezahlt werden, was sie schreiben“, glaubt Alan und beklagt die mangelnde Transparenz bei der Finanzierung der US-Denkfabriken. Er lobt Trump dafür, dass er „gegenüber China viel antagonistischer ist“. 

Denn für Alan ist dieses chinesische Regime „das, was Nazi-Deutschland am nächsten kommt: ein gefährlicher Gegner“. Man stelle sich nur vor, sagt er, was mit der Kriegsführung passieren würde, wenn China die KI-Technologie kontrolliert. Für ihn besteht das Problem bei Verhandlungen mit China darin, dass „wir mit unserer legalistischen Kultur in den USA zunächst chinesische Subventionen nachweisen müssen. Aber sie schreiben nichts auf.“ 

Und was ist sein Problem mit Europa? Nun, 40 Jahre lang haben die Europäer die USA an der Nase herumgeführt. Warum der nukleare Schutzschirm, warum weiterhin von den USA in der Verteidigung abhängig sein? Bereits in den 90er Jahren hat Alan über diese unhaltbare und unfaire Situation Artikel verfasst. Er hält es da ganz mit John Foster Dulles, Präsident Eisenhowers Verteidigungsminister, der in den 50er Jahren erklärte: „Wenn die Franzosen die Deutschen nicht wieder aufrüsten lassen, sind wir weg.“ Doch dazu kam es nie. 

Und warum, fragt Alan, muss Deutschland so abhängig von Exporten sein? „Es ist ihre Entscheidung. Sie sind souverän, aber wir machen uns Sorgen über die Beschränkungen, die unseren Technologieunternehmen auferlegt werden.“ Wenn hier zwei Wirtschaftsnationalismen aufeinanderprallen, so glaubt er, „wird gewinnen, wer mehr Macht hat“. Und das wird seiner Einschätzung nach Amerika sein, “weil es für die USA einfacher sein wird, den verlorenen heimischen Markt zurück zu erobern, als für Europa, neue Märkte zu erschließen” Für Alan sind wir damit beim sogenannten „Hegemons Dilemma” (Robert Triffin angekommen: “Wenn wir zu viele Kosten für andere Nationen tragen, wird Amerikas Macht erodieren.“ 

So viel zu den Gründen, die Alan Tonelson dazu gebracht haben, die Zollpolitik der Trump-Administration zu unterstützen. Er plädiert jedoch für ein wirtschaftspolitisches Gesamtpaket mit einem allgemeinen Zoll von 20 %, einer vernünftigen Industriepolitik und einer deutlichen Senkung der Körperschaftssteuer für in Amerika hergestellte Produkte. Und natürlich für deutlich höhere Zölle gegenüber China. Außerdem wünscht er sich Mechanismen, die alle Verhandlungenergebnisse mit anderen Ländern dauerhaft kontrollieren. Man solle ihnen lieber ein paar Monate Zeit geben, bevor sie Zölle erheben, um diese Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Genau das hat Donald Trump während unseres Mittagessens getan! 

Aber wie fühlt es sich an, ein solch drastisches Zollregime gegen eine Phalanx von 16 Nobelpreisträgern und die gesamte liberale Kommentatorenschaft vom „New Yorker“ bis zur „Financial Times“ zu verteidigen? “Du meinst die Experten, die weder den Aufstieg Chinas noch die Finanzkrise vorausgesehen haben und am Washingtoner Konsens festhalten, dass deregulierte Märkte Wohlstand für alle fördern? Für Alan „keine gerade beeindruckende Bilanz“. Er streitet sich gern mit dem langjährigen Kolumnisten der „New York Times“, Paul Krugman, der ihn als „wirtschaftlichen Ignoramus“ bezeichnete. Was Krugman und viel links-liberale Ökonomen nicht verstehen, kontert Alan, sei, „dass man nicht nur gegen China allein Sanktionen oder Zölle verhängen kann. Das ist komplizierter”. 

Aber macht sich Alan Tonelson keine Sorgen über die anderen Aspekte von Trumps Politik?

Nehmen wir nur DOGE, Elon Musks Ministerium für Regierungseffizienz, das die staatliche Bürokratie verschlanken soll. „Gute Idee“, sagt Alan, „aber Musk ist einfach nicht gut darin, sie umzusetzen.“ 

Oder was ist mit den autokratischen Tendenzen in Trumps Dekreten? Nun ja, „das Problem der imperialen Präsidentschaft kennen wir schon lange“. Schließlich habe auch Präsident Biden die Rückzahlung von Studienkrediten gestrichen, ohne den US-Kongress um Erlaubnis zu fragen. Und für Alan sind es beide Parteien, die das Gesetz politisieren und ihre  politischen Gegner politisieren. Donald Trump für alle lange währenden und parteiübergreifenden Probleme verantwortlich zu machen, sei seiner Ansicht nach lediglich ein „Trump-Derangement-Syndrom der Linken“. 

Alan Tonelsons Bedenken sind anderer Natur: dass Trump einlenkt oder dass seine Zollpolitik nicht lange genug anhält, um Amerikas gefährdete Wirtschaft wieder rentabel zu machen; oder dass die verarbeitende Industrie auch wirklich zurückgeholt wird, wenn auch nicht unbedingt alle alten Arbeitsplätze, da viele zurückgeholte Aufgaben, wie die Herstellung von Gesichtsmasken und Beatmungsgeräten, automatisiert werden. Dennoch ist er optimistisch, weil dem manufacturing jobs multiplicator zufolge ein Arbeitsplatz im Produktionssektor drei weitere in den Bereichen Dienstleistung, Logistik und Forschung & Entwicklung schaffen wird. 

Alan ist nicht naiv. Er versteht, dass „die Amerikaner nicht bereit sind, Opfer zu bringen“, dass der politische Zyklus zu kurz ist, um die positiven Auswirkungen von Reformmaßnahmen rechtzeitig wirken zu lassen, wie es Joe Biden bei seiner Niederlage im November schmerzhaft erfuhr. Aber Alan hofft, dass die MAGA-Basis hält und moderate Republikaner ihrem Präsidenten gegenüber loyal blieben. Natürlich werden sich die Demokraten immer beschweren. „Aber womit können sie denn bei der nächsten Wahl punkten?“ 

Auch Alan kann die Möglichkeit einer Rezession nicht ausschließen, aber für ihn wie für Donald Trump wäre dies nur die bittere Medizin für eine Krankheit, die viel zu lange unbehandelt blieb. Bei einem Schuldenstand von über 35 Billionen Dollar, nach dem Verlust von wahrscheinlich Millionen Arbeitsplätzen durch die Globalisierung, für Amerika als militärischer Retter und Goldesel seiner Verbündeten und mit seiner Wirtschaft als Markt der letzten Instanz, so glaubt Alan, bieten politics as usual keine Lösungen mehr. 

Für Alan Tonelson ist es genau das, was Präsident Trump sagt: „Es konnte einfach nicht mehr so weitergehen.“ 

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